Starke Verunsicherung nach dem Volksentscheid gegen die Masseneinwanderung
Besorgnis der Handelskammer Deutschland-Schweiz und grosse Verunsicherung der Wirtschaft nach dem Entscheid zur Zuwanderungsinitative
Die Handelskammer Deutschland-Schweiz ist sehr besorgt über das Abstimmungsergebnis vom 9. Februar 2014. Es steht die Gefahr der Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens zwischen der Schweiz und der EU und damit der gesamten bilateralen Abkommen I im Raum. Unterdessen ist die Verunsicherung bei deutschen und schweizerischen Unternehmen über die Frage gross, welches Regelwerk und welches künftige Integrationsniveau zwischen der Schweiz und der EU zu erwarten ist.
Dabei stehen im schweizerisch-deutschen Wirtschaftsverkehr Befürchtungen um eine allfällige Personalknappheit und deren Auswirkung auf die Erfüllung von Aufträgen, den weiteren freien Austausch von Gütern und Dienstleistungen sowie die Auswirkungen auf geplante Investitionen im Vordergrund.
Bestehende Regelungen gelten zunächst weiter
Die Kammer hält hierzu fest, dass die bestehenden Regelungen im Rahmen der bilateralen Abkommen I zunächst weiter gelten. Die Initiative hat  einen Zeitraum von  3 Jahren für  die 
Neuverhandlung bzw. Anpassung von bestehenden Verträgen vorgegeben. Es ergeben sich damit kurzfristig keine direkten Änderungen für den Handels- und Dienstleistungsverkehr, es sei denn, entweder die Schweiz oder die EU würde eine vorzeitige Kündigung des Freizügigkeitsabkommens und damit der bilateralen Abkommen I vornehmen, was aus heutiger Sicht allerdings nicht zu erwarten ist.
Warenverkehr
Der Warenverkehr Schweiz-EU wird vor allem durch das Freihandelsabkommen von 1972 geregelt. Dieses ist nicht Bestandteil der bilateralen Verträge I und wäre auch nicht direkt von der Kündigung des Freizügigkeitsabkommens betroffen.
Indirekte Auswirkungen auf den Warenverkehr könnten sich aber dann ergeben, wenn eine Warenlieferung mit einem Dienstleistungsanteil verbunden ist und dieser von einer Kündigung des Freizügigkeitsabkommens betroffen wäre. Weitere indirekte Auswirkungen auf den Austausch von Gütern im Kündigungsfall der bilateralen Verträge wären durch den Wegfall der Abkommen über technische Handelshemmnisse sowie des öffentlichen Beschaffungswesens gegeben.
Durch das Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen erhalten Unternehmen aus der Schweiz bzw. der EU die Möglichkeit, gleichberechtigt an öffentlichen Ausschreibungen teilzunehmen und damit eine weitere Marktchance zum Absatz ihrer Güter und Dienstleistungen durch die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen.
Ein Wegfall des Abkommens über technische Handelshemmnisse würde für Exportunternehmen voraussichtlich zu höheren Kosten und längeren Wartezeiten bei dem 
Export von Waren führen. Zum Beispiel müssten Schweizer Produkte ohne eine gegenseitige Anerkennung der Konformitätsbewertung für einen Export in die EU einer doppelten Konformitätsbewertung unterzogen werden. Zwar würden bestehende Konformitätsbewertungen weiterhin anerkannt. Betroffen wären aber künftige Konformitätsbewertungen, um die nach der Kündigung des Abkommens ersucht würde. Da dies sehr weite Bereiche des Warenverkehrs im 
Investitionsgüter- und Gebrauchsgütersektor zwischen Deutschland und der Schweiz treffen würde, wären die Auswirkungen erheblich.
Grenzüberschreitender Dienstleistungsverkehr und Bauwirtschaft
Das vor allem den Dienstleistungsverkehr betreffende Schweizer Entsendegesetz gilt solange das Freizügigkeitsabkommen in Kraft ist. D.h. solange das Freizügigkeitsabkommen weiterhin seine Geltung hat und keine der Parteien eine Kündigung des Abkommens ausspricht, gelten die bisherigen Regelungen für Entsendebetriebe weiter. Nach Auffassung der Handelskammer Deutschland-Schweiz wird keine der beiden Seiten (Schweiz – EU) ein Interesse an neuen Barrieren bei der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung haben.
Personenfreizügigkeit
Im Falle einer Kündigung des Freizügigkeitsabkommens blieben zwar die bereits erworbenen Rechte einzelner Personen bestehen. So wären die bereits erteilten Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen weiterhin gültig. Eine Kündigung des Abkommens hätte aber massiven Einfluss auf die Möglichkeit, Personal im Ausland zu akquirieren. Neben einer zahlenmässigen Beschränkung durch Kontingente wäre die grenzüberschreitende Zuwanderung von Arbeitnehmern durch zwei weitere Aspekte be-
troffen: zum einen hätte der Wegfall des Personenfreizügigkeitsabkommens Auswirkungen auf die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen. So erfolgt heute unter dem 
Abkommen bei reglementierten Berufen eine automatische Anerkennung oder zumindest ein erleichterter Berufszugang. Zum anderen schafft das Freizügigkeitsabkommen auch eine 
Koordinierung bei der sozialen Sicherheit, was erhebliche Vorteile für die einzelnen betroffenen Personen bedeutet (so z. B. durch Festschreibung eines Gleichbehandlungsgebotes, Leistungsexport oder Anrechnung von ausländischen Versicherungszeiten).
Die Handelskammer Deutschland-Schweiz setzt sich aktiv dafür ein, dass das bislang erlangte Integrationsniveau Schweiz – EU / Deutschland gesichert wird und erhalten bleibt.
Viel hängt von der zukünftigen Lösung ab: Der Integrationsweg der Schweizer Wirtschaft in den EU-Binnenmarkt hat sich in den vergangenen Jahren ausgesprochen prosperierend für den Wirtschaftsaustausch zwischen Deutschland und der Schweiz ausgewirkt. Für die Schweiz ist Deutschland Wirtschaftspartner Nr. 1 und für Deutschland liegt die Schweiz auf Platz 8 der wichtigsten Märkte im internationalen Austausch.
Aber nicht nur die Quantität mit einem Handelsvolumen von jährlich rund 90 Mrd. CHF, sondern auch die Qualität der Geschäftsbeziehungen gilt als ausgezeichnet. Über die vergangenen Jahre des florierenden Handels ist hoch geschätztes Vertrauen zueinander und ein enges Beziehungsnetz zwischen Herstellern, Zulieferunternehmen, Händlern und Käufern entstanden. Die Prozessketten in der Fertigung überschreiten heute wie selbstverständlich die Landes-grenzen, eng verbunden mit einem bedeutenden Dienstleistungsanteil, der heute schon über 30% des Handelsvolumens erreicht. Alleine 60% des Handels zwischen Deutschland und der Schweiz entfallen auf Investitionsgüter und Halbfabrikate – ein Austausch, der in vielen Fällen auf der Basis grenzüberschreitender Kooperationen in Forschung und Entwicklung und dem freien Austausch qualifizierter Arbeitskräfte aufbaut.
Der ungehinderte Zugang zu den Märkten in der Schweiz und der EU sowie der reibungslose grenzüberschreitende Austausch von Gütern, Arbeitskräften und Kapital muss auch in Zukunft gesichert bleiben. Aufgrund des hohen Verflechtungsgrades bleibt zu hoffen, dass innerhalb der dreijährigen Frist für die Umsetzung der Initiative eine Lösung gefunden wird, die eine gemeinsame wirtschaftsfreundliche Basis für beide Seiten gewährleistet. Es ist im Interesse keiner der beiden Parteien, auf das Integrationsniveau Schweiz – EU vor 1999 zurückzugehen.
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